Das dritte BoostCamp fand in Kiel statt.
Am 7. Mai wählt Schleswig-Holstein einen neuen Landtag. Auch hier spüre man den Druck von Populisten und die drängende Frage was man effektiv tun könne. Wir wollen helfen, nicht abstrakt sondern ganz konkret. Deshalb Argumentationstraining. Deshalb Kiel.
9:30 Uhr. Die Teilnehmenden sind da. Der Kaffee auch. Wir starten. Jeannette Gusko, Campaign Boostcamp Deutschland, führt in den Tagesworkshop ein. Vor ihr sitzt ein bunt gemischter Haufen an Studierenden, Wahlkämpfern, Journalisten, Sportlern, Haupt- und Ehrenamtlichen aus der Region, die allesamt in erster Linie eine Frage umtreibt: Was kann ich populistischen Parolen konstruktives entgegensetzen? Darum soll es an diesem Tag gehen.
Bevor es in die praktischen Trainingseinheiten geht, stellen Artikel 1 Vorstandsmitglieder Norbert Schmedt und Sebastian Reichel die Beweggründe des Vereins vor. Die Frage nach dem „warum“ und „wofür“ des Vereins, leitet zur Diskussion verschiedener Erfolgsmechanismen des Rechtspopulismus und möglichen Gegenstrategien über. Es wird offen und rege diskutiert, persönliche Erfahrungen berichtet. Schnell zeigen sich verschiedene Dilemmata mit denen Medien, Politik und Zivilgesellschaft in der alltäglichen Auseinandersetzung mit Populisten konfrontiert werden.
Konstruktion und Dekonstruktion von Vorteilen.
Youssef Adlah von i,Slam, der schon bei unserem Auftakt-Camp in Schwerin dabei war, füllt den ersten Teil des Argumentationstrainings. Anhand von Gedankenexperimenten dekonstruiert er raffiniert soziokulturelle Vorurteile, die jeder von uns ins sich trägt: Mit Personenbeschreibungen, die theoretisch auf ganz verschiedene Personen zutreffen könnten, zeichnet Youssef bei den Teilnehmenden Bilder im Kopf, die bestehende Vorurteile aufzeigen. Zum Ausprobieren, ein Ausschnitt:
- Das Kopftuch
- Sie ist in einem streng religiösen Elternhaus groß geworden
- Sie ging in ein religiöses Internat
- Ihre Gemeinde erwartet von ihr das Tragen des Kopftuchs
- Ihre Lebensweise ist für viele nicht mit dem modernen Lebensstil vereinbar.
Was für eine Frau seht ihr spontan?
Youssef beschreibt hier eine Freundin, die als Nonne in einem Kloster lebt. Hand aufs Herz, hattet Ihr das Bild im Kopf? Natürlich sind die Dinge an dieser Stelle überspitzt dargestellt. Youssef macht das aber ganz gezielt, um zu verdeutlichen: Ein Bewusstsein über die Konstruktion von Vorurteilen ist wichtig, um vorurteilsbehaftete Kommunikation zu verstehen und als solche entlarven zu können. Was ist die Ausnahme? Was die Regel? Konstruktion und Dekonstruktion von Vorurteilen.
Widersprechen. Aber wie?
Nach der Mittagspause geht es mit Johannes Karl von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. weiter. Auch er war bereits mit uns unterwegs, in Essen. Mit Rollenspielen in geschützter Umgebung können Teilnehmende in diesem Part die praktische Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Parolen trainieren – sowohl in einer 1:1 Situation auf dem „heißen Stuhl“ als auch in Gruppensituationen. Hier ist Raum zum Üben. Dabei geht es weniger darum inhaltliche Gegenargumente vorzugeben, als grundlegendes Handwerk zu vermitteln. Von der Erfahrung mit Argumenten nicht weiter zu kommen bis zum Lernen, mittels kommunikative Techniken mit einer Person, die sich diskriminierend äußert, ins Gespräch zu kommen. Widersprechen. Aber wie?
16:30 Uhr. Zum Abschluss heißt es dann: Fragen. Auswerten. Weitermachen. Und vor allen Dingen Danke an alle Teilnehmenden für Euer großartiges Engagement. Wir bleiben in Kontakt. Bis bald Kiel!